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Performance Marketing in Krisenzeiten

SEA
|
27. April 2022
Inhalt

Keine Sorge, dies wird nicht der x-te Blogbeitrag zur Corona-Pandemie.
Ich möchte vielmehr einige Stolperfallen aufzeigen, die Krisen mit sich bringen
können. Dabei gibt es kurzfristige Effekte, auf die es schnell zu reagieren
gilt, um kein Geld zu verbrennen.

Aber auch langfristige Effekte dürfen wir nicht außer Acht lassen. Solche Einflüsse können nachhaltigen Schaden verursachen, der dann wiederum nur mit viel Aufwand wieder auszugleichen ist. Hierzu sollten wir unsere langfristige Strategie entsprechend anpassen und die Zielsetzung gegebenenfalls verändern oder korrigieren.

Nun aber zu den Herausforderungen, die Krisen mit sich bringen können.

1. Schlagartige Veränderungen im Suchvolumen durch kurzfristige, prägnante Ereignisse

Selbst in der jüngeren Vergangenheit finden sich zahlreiche Ereignisse, die diesen Effekt eindrucksvoll immer und immer wieder auslösen:

  • Flutkatastrophe im
    Ahrtal im Jahr 2021
  • Jahrhunderthochwasser
    an der Elbe in den Jahren 2002, 2006 und 2013
  • Hochwasserkatastrophen
    an Donau, Mosel und Rhein der vergangenen Jahre
  • Jahrhundertsturm
    Kyrill im Jahr 2007
  • Sturmserie Ylenia,
    Zeynep und Antonia 2022
  • Schneekatastrophen
    wie im Jahre 2005
  • Vorkommnisse wie
    Flugzeugabstürze, Zugkollisionen oder sonstige große Unglücke
  • Reaktorunfall in
    Fukushima 2011
  • Volkswagen Diesel
    Skandale

All diese Ereignisse haben eins gemeinsam.
Sie zeigen uns unsere Verletzlichkeit auf. Sie erzeugen ein gesteigertes
Bedürfnis nach Sicherheit und sie spülen plötzlich Themen nach oben, mit denen
wir uns in dem Umfang normalerweise nicht beschäftigen.

Und genau dieser letzte Aspekt hat schlagartig Einfluss auf unser Suchverhalten und damit auf Suchvolumina zu einzelnen Themen und Begriffen.

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Volkswagen Diesel" im zeitlichen Verlauf zeigt
Beispiel: Suchanfragen nach „Volkswagen Diesel“ / Quelle: Google Trends

Zum einen schießen logischerweise Suchanfragen nach Orten, Regionen, Themen
aber auch Marken
, die vom jeweiligen Ereignis betroffen sind innerhalb
kürzester Zeit in die Höhe.

Dies geschieht meist parallel mit Aufkommen
und Zunahme der Berichterstattung
rund um solche Szenarien.

Als betroffene Region oder Marke gilt es hier
schnell und konsequent zu reagieren,
da sich die Intention der Suchenden in solchen Fällen signifikant von der
Intention vor Eintritt des Ereignisses unterscheidet. Damit hat dieses
Suchvolumen auch rein gar nichts mehr mit der ursprünglichen Planung hinter
solchen Kampagnen zu tun.

Ergänzend zum Herunterfahren der “alten” Kampagnen macht es sicherlich Sinn, das neu entstandene Informationsbedürfnis über die betroffenen Suchanfragen zu bedienen.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch,
zeitlich etwas nachgelagert, teils deutliche Veränderungen im Suchvolumen für
Anfragen, die durch die oben genannte Beschäftigung mit vorher irrelevanten
Themen ausgelöst werden.

Dies betrifft vor allen Dingen Suchanfragen, die Lösungen anbieten, sollte man selbst von solchen Katastrophen betroffen sein. Dazu zählen Suchbegriffe wie Elementarversicherung, Hochwasserversicherung, Stromgenerator, Jodtabletten, FFP2-Maske, Corona Schnelltest und und und.

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Elementarversicherung" im zeitlichen Verlauf zeigt
Die Suchanfragen zum Begriff „Elementarversicherung“ schnellten aufgrund des Jahrhunderthochwassers im Juli 2021 nach oben, besonders betroffen waren NRW und Rheinland-Pfalz, wo es zur Flutkatastrophe im Ahrtal kam. Quelle: Google Trends

Wie bereite ich mich vor?

Um vorbereitet zu sein sollte sich jeder Werbetreibende darüber Gedanken machen, welche Art von Ereignissen zu einem Anstieg oder im Zweifel auch Wegfall von Suchvolumen für das eigene Produkt- und Leistungsportfolio führen kann. Im zweiten Schritt sollten Indikatoren identifiziert werden, mithilfe derer sich solche Vorkommnisse monitoren und frühzeitig erkennen lassen. Ein Ereignis-Frühwarnsystem quasi.

2. Was ist wenn der Nutzer unverändert sucht, aber plötzlich etwas ganz Anderes meint?

Auch hier geht es wieder um das Suchverhalten der Nutzer, allerdings diesmal um Suchanfragen, bei denen sich die Intention hinter Suchanfragen durch äußere Einflüsse radikal ändert.

Beispiel aus der Pandemie: Corona

Ein sehr prominentes Beispiel der letzten
zwei Jahre ist der Suchbegriff Corona. Auch vor der Pandemie wurde nach diesem
Begriff gesucht. Allerdings haben “damals” die wenigsten Anfragen damit die
Viren Kategorie gemeint haben. Der allergrößte des Suchvolumens um den Begriff
Corona wird die mexikanische Biermarke als Intention gehabt haben. Mit
zunehmender Ausbreitung von Covid-19 und der damit einhergehenden öffentlichen
Wahrnehmung des Begriffes war immer weniger die Biermarke gemeint.

Gut für das Suchvolumen, schlecht für die Marke.

Aktuelles Beispiel aus Ukraine-Krieg: Swift

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Suzuki Swift" mit dem Suchbegriff "Swift" im zeitlichen Verlauf vergleicht
Das Suchinteresse nach „Suzuki Swift“ (blaue Linie)  und „Swift“ (rote Linie) im zeitlichen Verlauf. Die Berichterstattung zum Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System im Rahmen der Sanktionen gegen Russland führte zu einem hohen Suchinteresse nach dem Begriff „Swift“.  / Quelle: Google Trends

Das sehr aktuelle Beispiel ist das Themengebiet Swift. Teil der Sanktionen als Antwort auf das Vorgehen Russlands
in der Ukraine war der Ausschluss einiger Banken aus dem SWIFT-System
(SWIFT=Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication). Diese
Maßnahmen inkl. der einhergehenden massiven Berichterstattung hat diesen
Begriff in den Suchsystemen in den Mainstream katapultiert und das Ziel der
meisten Anfragenden komplett geändert.

Noch vor wenigen Wochen war die Ziel vieler
Nutzer bzw. Endverbraucher rund um diesen Suchbegriff sicherlich eher die Marke
Suzuki und das dazugehörige Modell Swift.

Die große Herausforderung in beiden Fällen
ist die Identifizierung der Intention der Nutzer. Der rein generische Begriff
ist in beiden genannten Fällen nicht mehr eindeutig und damit für die jeweilige
Marke nicht mehr zielführend. Dieser Umstand muss Berücksichtigung im
Keywordset finden.

Auch die Frage, wie lang diese
Zielverlagerung anhält sollte regelmäßig überprüft werden. Ich würde denken, dass
sich diese rund um den Begriff Corona nachhaltig verschoben hat, der Effekt
rund um den Begriff Swift würde ich eher kurzzeitig ansehen.

Ach Ja und auch der Wettbewerb, der auf solche Begriffe Werbung schaltet, ist in gleichem Umfang betroffen.

Screenshot von Suzuki Swift Werbung auf Spiegel Online
Suzuki Swift Werbung im Kontext von
Berichterstattung über den Swift-Ausschluss
russischer Banken. Screenshot: spiegel.de

3. Achtung bei kontextuellem Targeting

Auch beim Targeting auf Kontext ist in vielen Fällen Vorsicht geboten. Schon in “normalen” Zeiten muss jeder Werbetreibende sensibel darauf achten, nicht in unerwünschten Umfeldern ausgespielt zu werden. Es gibt zu Hauf Beispiele für Bad Ads, die der jeweiligen Marke nicht gut zu Gesicht stehen und bestimmt nicht so gewollt waren.

Vor kurzer Zeit ist genau das dem oben bereits
erwähnten Autohersteller Suzuki passiert. Scheinbar sollte Werbung im Kontext
des Begriffs Swift geschaltet werden. Beabsichtigt war sicherlich
Berichterstattung und Kontext zum eigenen Modell “Swift”.

Der zuvor genannte Umstand rund um den Swift-Ausschluss diverser russischer Banken hat auch hier dazu geführt, dass die Werbung von Suzuki in diesem, bestimmt nicht beabsichtigten, Kontext ausgespielt wurde. Das wurde bei Suzuki recht schnell bemerkt und tritt nun nicht mehr auf. Unschön war es trotzdem.

Wenn man das Ganze noch genauer betrachtet war es auch schon vor diesem Ereignis riskant. Der Kontext hätte nämlich auch die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift thematisieren können. Alles in allem also doppelt ungünstig für bzw. von Suzuki.

4. Lebenshaltungskosten steigen, die Zukunft wird ungewisser

In allen Krisen, die sich auf die
finanziellen Spielräume der Menschen auswirken ist ein ähnliches, völlig
nachvollziehbares Muster zu erkennen.

Hohe Investitionen und nicht unbedingt erforderliche Ausgaben werden vermieden. Luxusgüter, teure Produkte (z.B. Unterhaltungselektronik) und Dienstleistungen (u.a. Reisen) haben es einfach schwerer.

Natürlich besteht weiterhin Interesse an diesen Dingen, nur der Schritt, dann auch wirklich zu kaufen oder zu buchen bleibt (vorerst) aus. Wenn man sich das Anhand des Conversion-Funnels einmal verbildlichen möchte, so bleiben die Nutzer in der Interest-Phase hängen. Es entsteht quasi ein Stau und die Conversion Rate sinkt unweigerlich.

Gfk-Konsumklimaindex

Abbildung des Gfk-Konsumklimaindex im zeitlichen Verlauf
Der Gfk-Konsumklimaindex, der die Konsumneigung der Privathaushalte misst, fiel im März auf einen Indexwert von -8,5 Punkten. Die Prognose für April 2022 lautet -15,5 Punkte und ist damit eine Verschlechterung der Verbraucherstimmung. Gründe: Unsichere Zeiten für die Wirtschaft durch Krieg in der Ukraine und Sanktionen gegen Russland, zudem eine hohe Inflationsrate / Quelle: statista

Bei einer solchen Entwickelung, wenn also Stau im Funnel entsteht, heißt es, die Touchpoints entlang der Customer Journey neu zu bewerten und die Strategie entsprechend daran anzupassen.

5. Was ist wenn es morgen nichts mehr gibt?

Wer kann sich nicht an die leeren
Toilettenpapierregale im ersten Corona-Lockdown erinnern.

Schon die bloße Ankündigung über
Lieferengpässe und scheinen sie noch so vage führen scheinbar bei nicht wenigen
Mitmenschen zum Reflex sich einen Vorrat anzulegen.

Hamstern ohne Rücksicht auf Verluste.

In einer globalisierten Welt haben Krisen unweigerlich Auswirkungen auf Lieferketten und Ressourcenbeschaffung. Es muss am Ende aber gar nicht die große Krise sein, auch das auf Grund laufen eines einzigen Containerriesen wie bei der “Ever Given” im März 2021, führen zu Schockwellen im globalen Handel. Für knapp sechs Tage war diese wichtige Handelsroute unterbrochen und die Auswirkungen auf alle Facetten des Handelsgeflechtes waren immens.

Bild eines leeren Mehlregals im Supermarkt
April 2022: Kein Mehl im Supermarkt und wenn Mehl da ist, ist die Abgabe pro Haushalt beschränkt. Bildnachweis: web-netz

Es gibt unzählige Beispiele was auf der Hamster-Agenda landet:

  • Coronakrise:
    Toilettenpapier, Mehl, Hefe …
  • Ukrainekonflikt:
    Speiseöl, Mehl, Nudeln, Konserven …
  • Rohstoffmangel:
    Unterhaltungselektronik, Computer …

Die Auswirkungen sind nicht immer nur
direkter Natur, es geht auch um Ecken.

Der aktuelle Dieselpreis ist unter anderem auch dem Einkaufsverhalten beim
Heizöl geschuldet. Die hohe Nachfrage nach Heizöl für die Heizperiode im
kommende Winter aus Angst vor einer potentiellen Energiekrise treibt auch den
Dieselpreis in die Höhe.

Warum? Die Basis für beide Produkte ist
identisch…

Hier gilt es, sich bewusst zu sein, wie aktuelle Ereignisse direkt
oder indirekt das eigene Produktportfolio betreffen
und entsprechend zu agieren.

  • Ist genug am Lager?
    Vollgas und Nachfrage decken!
  • Ist der Bestand
    limitiert und Nachschub ist nicht gesichert? Mit Bedacht vorgehen und
    rechtzeitig die Werbung herunterfahren.
  • Drop-Shipping-Modelle
    sollten hier extrem vorsichtig agieren. Nichts ist schlimmer als Conversions,
    die aufgrund von Lieferausfällen nicht bedient werden können und am Ende
    verärgerte Kunden hinterlassen.

6. Krisen zur eigenen Profilierung nutzen ist ein ganz schmaler Grat!

Zu guter Letzt noch ein abschließender
Faktor, der in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen ist.

Natürlich ist es legitim, in der Krise
Geschäfte zu machen, wobei der moralische Kompass hier sehr sensibel
berücksichtigt werden sollte. Die Entscheidung vieler Unternehmen, ihr
Russlandgeschäft aus aktuellem Anlass zu beenden fällt genau darunter.

Die Frage ob man mit einer Krise
Geschäfte machen muss jeder für sich selbst entscheiden.

Wenn ein namhafter Coach empfiehlt, genau
zu schauen wie man mit dem Ukraine-Krieg Geld machen könnte, wie man diese
Katastrophe bewusst zu seinem eigenen Vorteil nutzen könne, dann finde ich
persönlich das mehr als fraglich. Aber hey … Karma is a bitch!

In jedem Fall muss sich aber jeder
Werbetreibende, jedes Unternehmen über die Außenwirkung jeglicher Aktivität
bewusst sein.

Jede Krise und jedes Unglück betrifft
Menschen, die direkt darunter zu leiden haben. Eigene Profilierung auf dem
Rücken eben dieser Leidtragenden wird speziell in solchen Zeiten vom
Verbraucher sehr genau und skeptisch wahrgenommen und im Zweifel abgestraft.

Dies umfasst auch die eigenen
Hilfsaktivitäten in Krisen.

“Tu Gutes und rede darüber” sollte auf keinen Fall übertrieben werden, das geht in den meisten Fällen nach hinten los und wird vom Verbraucher übelgenommen.

Fazit: Alles im Blick haben

Schon in “normalen” Zeiten verändern sich
die Rahmenbedingungen stetig und Nutzer tun nicht immer das was wir eigentlich
erwarten. Sobald sich durch äußere Einflüsse aber dann auch die
Rahmenbedingungen signifikant ändern kann es durchaus wild werden.

Wer also bei seinen Kampagnen
ausschließlich auf die eigenen Daten vertraut wird von solchen Ereignissen
immer wieder überrascht werden. Dann bleibt nur noch die Option zu reagieren.

Wer jedoch auch die Rahmenbedingungen
monitort und ständig im Blick hat, der wird potentielle Veränderungen
frühzeitig identifizieren und ist dann in der Lage zu agieren.

Ganz besonders in Zeiten wie wir sie aktuell erleben, ist dieser Blick wichtiger denn je. Niemand kann vorhersagen, wie sich Dinge langfristig entwickeln werden.

Es ist wie auf Sicht fahren im Nebel:

  • Wachsam sein
  • Alles im Blick
    haben
  • Agieren sobald sich
    Veränderungen abzeichnen
  • Bei Gefahr
    blitzschnell reagieren

Wie geht ihr mit solchen Herausforderungen
um?

Habt ihr vielleicht komplett andere
Ansätze?

Ich freue mich auf euer Feedback.

Nico

Kostenlose Online-Marketing-Webinare

Wir bieten jede Woche kostenlos zwei Webinare an. Alle Themen und die nächsten Termine findet ihr auf: web-netz.de/webinare.

Moderatoren_Sven_Sinja

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Autor

Nico Loges Paid Media Marketing

Seit Ende der 90er Jahre ist Nico Loges im Online-Marketing tätig. Anfänglich war die Vermarktung von Musikern der Schwerpunkt seiner Arbeit. Anfang 2011 verschrieb er sich komplett dem performancegetriebenen Online-Marketing und verantwortete inhouse als “Head of” alle Marketingkanäle von einem der größten deutschen Onlinehändler für Eisenwaren. Mitte 2014 folgte dann der Wechsel auf die Agenturseite. Bei webnetz betreute Nico Loges Kunden in den Bereichen Paid Search. Seit 2019 verantwortet er als Abteilungsleiter des Bereichs Paid Media Marketing mehr als 25 Mitarbeiter. Als Autor gehen Veröffentlichungen im Fachbuch "Leitfaden Data Driven Marketing" und im Agenturblog auf sein Konto. Des Weiteren hält Nico regelmäßig Vorträge auf Konferenzen und teilt sein Wissen in webnetz-Webinaren wie auch externen Workshops und anderen Weiterbildungsformaten.

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