Politische YouTube-Werbung 2025: Zwischen Emotion und eingeschränkter Ausrichtung
Die Rolle von Video in der politischen Kommunikation ist unbestreitbar gestiegen: Laut Daten aus dem Google Ads Transparency Center fließen aktuell über 78 % der digitalen Parteibudgets für Google-Anzeigenformate in YouTube-Kampagnen. Vorne mit dabei ist Bündnis 90/Die Grünen, die mit rund 365.000 Euro nahezu ein Drittel der gemeldeten Video-Ausgaben auf sich vereinen. Dahinter folgen Parteien wie die FPD und Volt mit jeweils über 200.000 Euro.
Warum setzen Parteien auf Video?
In puncto Werbewirkung hat Bewegtbild klare Vorteile: Emotionalität, Storytelling und die Möglichkeit, komplexe Inhalte rasch zu vermitteln. Die Fragmentierung der Mediennutzung und insbesondere die junge Zielgruppe, die mehr und mehr auf Plattformen wie YouTube oder TikTok verweilt, verstärken diesen Trend.
Doch was ist mit Targeting?
Spannend – gerade aus Adtech-Sicht – ist, dass Google für politische Werbung nur sehr eingeschränkte Targeting-Optionen erlaubt. Gemäß den Richtlinien dürfen Parteien ihre Anzeigen lediglich basierend auf Standort (ohne Radius-Targeting), Alter, Geschlecht und kontextbezogenen Faktoren (z. B. Keywords, Themen, Placements) aussteuern. Alle anderen Targeting-Möglichkeiten, wie z. B. Interessen- oder Zielgruppenlisten, sind in diesem Umfeld untersagt.
Diese Einschränkung wirft gleich mehrere Fragen auf:
Effizienz: Wie gelingt es Parteien, ihre Budgets effizient einzusetzen, wenn sie nur relativ grob targeten können? Gerade im kommerziellen Marketing spielt zielgruppenspezifisches Targeting eine große Rolle. Parteien müssen stattdessen auf eine sehr breite Auslieferung setzen oder sich stark auf kontextuelle Umfelder konzentrieren.
Kreativität: Da Mikrotargeting bei politischer Werbung nicht möglich ist, ist die kreative Umsetzung umso wichtiger. Die Kampagnen brauchen hohe Wiedererkennbarkeit und starke Botschaften, um breite Publikumssegmente zu erreichen.
Transparenz und Compliance: Politische Werbetreibende sind zur Offenlegung verpflichtet und müssen weitere Richtlinien etwa für synthetische oder digital veränderte Inhalte beachten. Die Einhaltung der Vorgaben spielt auch für Brand Safety und den Ruf der Partei eine zentrale Rolle.
Die Grünen: Emotionalisierung durch Storytelling
Ein Spot der Grünen verdeutlicht die Rolle von Storytelling und Emotionalität. Mit einem Budget zwischen 50.000 und 60.000 Euro (Google Ads Transparency Center) setzen die Grünen hier auf einen emotionalen Ansatz, der nicht nur Informationen transportiert, sondern Werteeinstellungen und Gefühle anspricht. Angesichts der eingeschränkten Targeting-Optionen ist die dramaturgische Gestaltung des Videos entscheidend, um eine breite Zuschauerschaft zu erreichen und in Erinnerung zu bleiben.
FDP: Energetisierender Zukunftsoptimismus
Die FDP wählt einen anderen, weniger emotionalisierenden Ansatz. Der Spot verbindet vergangene Errungenschaften mit der eigenen Agenda und vermittelt so den Eindruck, dass Fortschritt stets das Ergebnis neuer Denkweisen ist – eine Erzählstrategie, die in der politischen Kommunikation häufig Anwendung findet.
Sowohl die Grünen als auch die FDP zeigen damit einen effektiven Ansatz für erfolgreiche Video Ads
Adtech-Perspektive: Chancen und Herausforderungen
Beschränkte Datenbasis: Die fehlenden Möglichkeiten zum Interessen-Targeting oder zum Einsatz eigener Daten (z. B. CRM-Listen) reduzieren die Tools, die Marketern normalerweise zur Verfügung stehen.
Contextual Targeting: Umso mehr rückt das kontextuelle Umfeld in den Fokus. Eine Platzierung in thematisch passenden Umfeldern kann hohe Relevanz und Resonanz erzeugen – auch abseits klassischer Performance-KPIs.
Regulierung & Brand Safety: Da politische Werbung rechtlich besonders streng reglementiert ist, müssen sich Parteien und Agenturen intensiv mit den Google-Richtlinien auseinandersetzen. Offenlegungen („Bezahlt von …“), mögliche Sperrungen sowie zusätzliche Compliance-Anforderungen (wie bei synthetischen Inhalten) sind zentrale Themen.
Fazit und Ausblick
Die Verschiebung hin zu Video-Formaten im politischen Kontext ist Teil eines allgemeinen Trends, den wir bereits in der Markenkommunikation sehen. Gleichzeitig entsteht durch die strengen Richtlinien für politische Werbung ein besonderes Spannungsfeld: Auf der einen Seite bieten Videoanzeigen enormes Potenzial für Emotionalisierung und Reichweite, auf der anderen Seite bleiben die klassischen Targeting-Wege weitgehend verschlossen.
Dennoch spricht viel dafür, dass Parteien – auch im Vorfeld kommender Wahlperioden – weiter auf YouTube setzen werden. Gerade weil sie auf diesem Weg noch eine (relativ) große Zielgruppe erreichen können und die Plattform ein wesentliches Instrument für moderne Kampagnenführung ist. So avanciert die politische YouTube-Werbung zum spannenden Experimentierfeld, aus dem auch andere Branchen lernen können.
Bildnachweis: Canva Foto-Datenbank
Autor/in
Georg Stubendorff Paid Media Marketing (Video Ads)
Georg Stubendorff ist seit 2019 bei der Online-Agentur webnetz mit dem Fokus auf Video Advertising tätig. Er begann mit einem Schwerpunkt auf Programmatic Advertising und übernahm später die Rolle des Teamleads für Video Advertising. In dieser Funktion verantwortet er die Planung und Umsetzung von Bewegtbild-Kampagnen für Kunden aus verschiedensten Branchen. Zuvor sammelte er wertvolle Erfahrungen im Digitalbereich eines großen deutschen Fernsehsenders sowie bei einem reichweitenstarken Online-Newsportal. Sein fundiertes Fachwissen über die Video Advertising-Landschaft setzt er gezielt ein, um Kunden bei der Entwicklung effektiver, plattformübergreifender Strategien zu unterstützen.
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