Das Google Ads Invest der politischen Parteien vor der Bundestagswahl und die Bedeutung von YouTube
Wahlen sind nicht nur politische Weichenstellungen, sondern auch eine Zeit intensiver Kommunikation. Parteien stehen vor der Herausforderung, ihre Botschaften möglichst effektiv zu platzieren und Wählerinnen und Wähler gezielt zu erreichen. Während Plakate und klassische Medien weiterhin eine Rolle spielen, hat sich die politische Werbung längst in den digitalen Raum verlagert. Besonders YouTube erweist sich als zentrales Instrument für Wahlkampagnen, da es Bewegtbild-Inhalte mit hoher Reichweite und emotionaler Ansprache kombiniert.
Aktuelle Daten aus dem Google Ads Transparency Center zeigen, dass die Parteien massiv auf digitale Videoformate setzen – mit einer deutlichen Steigerung der Werbeausgaben in den letzten Wochen vor der Wahl. Ein genauer Blick auf die Budgetverteilung und Strategieansätze zeigt, welche Parteien besonders auf YouTube setzen und wie sich der digitale Wahlkampf im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 entwickelt hat.
Wie stark der Fokus auf Video mittlerweile ist, zeigen aktuelle Daten aus dem Google Ads Transparency Center: Über 81 % der der digitalen Parteibudgets für Google-Anzeigenformate fließen in YouTube-Kampagnen. Doch nicht alle setzen gleichermaßen auf Video. Während einige Parteien stark investieren, bleiben andere auffallend zurückhaltend. Ein Blick auf die Verteilung der Budgets zeigt: Hier zeichnet sich eine klare Strategie ab.
„Spitzeninvestor“ ist Bündnis 90/Die Grünen, die mit rund 635.000 Euro nahezu ein Drittel aller gemeldeten Video-Ausgaben auf sich vereinen. Dahinter folgt Volt mit knapp 393.000 Euro Werbeausgaben sowie die FDP mit 337.000 Euro. Betrachtet man die wöchentlichen Budgets, zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Grünen investieren mit durchschnittlich 100.000 Euro pro Woche am meisten in Video-Werbung. Volt gibt wöchentlich rund 70.000 Euro aus, während die FDP mit 50.000 Euro pro Woche ebenfalls eine signifikante Summe für ihre Kampagnen aufwendet.
Wie stark die „alten Parteien“ CDU und SPD in diesem Wahlkampf den Bewegtbildkanal vernachlässigen, dokumentiert das untenstehende Ranking.
Steigende Werbeausgaben in den letzten Tagen vor der Wahl
Seit dem 1. Januar 2025 wurden insgesamt über 3,6 Millionen Euro für politische Werbung über Google Ads ausgegeben. Die wöchentliche Budgetentwicklung verdeutlicht, dass die Parteien mit zunehmender Nähe zum Wahltag immer aggressiver in ihre digitale Präsenz investiert haben:
Schaut man sich die Entwicklungen des heißen Februars im Hinblick auf die einzelnen Parteien etwas genauer an, zeigt sich, dass die SPD einen erheblichen Invest kurz vor der Wahl hinlegt. Mit ca. 217.000 Euro im Betrachtungszeitraum steigen die Werbeausgaben erheblich im Vergleich zum Warm-up Januar. Auch die CDU legt in den letzten Tagen erheblich zu und vervierfacht ihre Werbeausgaben von 10.000 Euro auf 40.000 Euro pro Tag.
Allein in den ersten drei Tagen der entscheidenden KW 8 wurden bereits über 630.000 Euro investiert, was den intensiven Endspurt im Kampf um Wählerstimmen verdeutlicht.
Vergleich zur Bundestagswahl 2021
Ein Blick auf die Bundestagswahl 2021 zeigt, dass auch damals die Werbeausgaben im digitalen Bereich gegen Ende des Wahlkampfs stark anstiegen. In den letzten Wochen vor der Wahl wurden insgesamt 3,06 Millionen Euro für Google Ads ausgegeben. Besonders auffällig war die Entwicklung in der letzten Woche mit einem Wachstum von über 72 % in KW 38. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit 2021, wird deutlich, dass die diesjährigen Wahlkampfausgaben bereits rund 19 % über dem Gesamtbudget der letzten Wahl liegen, mit einem noch stärkeren Anstieg in den letzten Tagen.
Warum setzen Parteien auf Video?
In puncto Werbewirkung hat Bewegtbild klare Vorteile: Emotionalität, Storytelling und die Möglichkeit, komplexe Inhalte rasch zu vermitteln. Die Fragmentierung der Mediennutzung und insbesondere die junge Zielgruppe, die mehr und mehr auf Plattformen wie YouTube oder TikTok verweilt, verstärken diesen Trend.
Doch was ist mit Targeting?
Ein entscheidender Aspekt bei politischer Werbung auf Google ist die stark eingeschränkte Targeting-Option. Laut den Google-Richtlinien dürfen Parteien ihre Anzeigen nur nach Standort (ohne Radius-Targeting), Alter, Geschlecht und contexutal Targeting (z. B. Keywords, Themen, Placements) aussteuern. Andere Targeting-Möglichkeiten, wie Interessen- oder Zielgruppenlisten, sind nicht erlaubt.
Diese Einschränkung wirft einige Herausforderungen auf:
Effizienz: Ohne gezieltes Targeting müssen Parteien eine sehr breite Streuung ihrer Werbebotschaften in Kauf nehmen und sich auf kontextuelle Umfelder verlassen.
Kreativität: Da Mikrotargeting nicht möglich ist, ist eine starke visuelle Gestaltung und klare Botschaft entscheidend, um Aufmerksamkeit zu generieren.
Transparenz und Compliance: Politische Werbetreibende sind zur Offenlegung verpflichtet und müssen zusätzliche Richtlinien für synthetische oder digital veränderte Inhalte beachten.
Die Grünen: von Emotionalisierung zur Vermittlung von Inhalten
Die Grünen setzen in ihrem Wahlkampf auf eine gezielte Kombination aus Emotionalität und Sachlichkeit, wobei sie ihre Strategie je nach Video anpassen. Ein besonders emotionaler Spot, der vom 25. Januar bis 8. Februar 2025 mit einem Gesamtbudget von etwa 60.000 Euro beworben wurde, nutzt emotionales Storytelling, um Werteeinstellungen und Gefühle anzusprechen. Angesichts der eingeschränkten Targeting-Optionen setzt die Partei hier auf eine dramaturgisch wirkungsvolle Gestaltung, um eine breite Zuschauerschaft zu erreichen und in Erinnerung zu bleiben.
Ein anderes Video, welches auf dem YouTube Kanal von Robert Habeck gehostet wird und das seit dem 10. Januar läuft und bis zum 20. Februar mit einem Budget von rund 20.000 € beworben wurde, verfolgt hingegen in über 11 Minuten eine sachlichere Linie und stellt konkrete politische Maßnahmen in den Mittelpunkt. Der Strategiewechsel zeigt sich darin, dass die Grünen nicht nur mit Emotionalität mobilisieren, sondern sich zunehmend als kompetente Regierungspartei mit lösungsorientierten Ansätzen präsentieren. So sprechen sie sowohl emotionale als auch rational orientierte Wähler an und versuchen, ihre Reichweite zu maximieren.
FDP: Energetisierender Zukunftsoptimismus
Die FDP wählt einen anderen, weniger emotionalisierenden Ansatz. Der Spot verbindet vergangene Errungenschaften mit der eigenen Agenda und vermittelt so den Eindruck, dass Fortschritt stets das Ergebnis neuer Denkweisen ist – eine Erzählstrategie, die in der politischen Kommunikation häufig Anwendung findet.
Adtech-Perspektive: Chancen und Herausforderungen
Beschränkte Datenbasis: Die fehlenden Möglichkeiten zum Interessen-Targeting oder zum Einsatz eigener Daten reduzieren die Tools, die Marketern normalerweise zur Verfügung stehen.
Contextual Targeting: Umso mehr rückt das kontextuelle Umfeld in den Fokus. Eine Platzierung in thematisch passenden Umfeldern kann hohe Relevanz und Resonanz erzeugen – auch abseits klassischer Performance-KPIs.
Regulierung & Brand Safety: Da politische Werbung rechtlich besonders streng reglementiert ist, müssen sich Parteien und Agenturen intensiv mit den Google-Richtlinien auseinandersetzen. Offenlegungen („Bezahlt von …“), mögliche Sperrungen sowie zusätzliche Compliance-Anforderungen (wie bei synthetischen Inhalten) sind zentrale Themen.
Fazit: Digitale Wahlwerbung nimmt weiter zu
Der signifikante Anstieg der Werbeausgaben auf Google Ads – insbesondere auf YouTube – verdeutlicht, dass Parteien verstärkt auf emotionale und visuelle Inhalte setzen, um Wählerinnen und Wähler zu erreichen.
Dabei bleibt das Spannungsfeld zwischen der wachsenden Bedeutung von Video-Ads und den restriktiven Targeting-Möglichkeiten bestehen. Während YouTube als Medium für politische Werbung weiter an Bedeutung gewinnt, müssen Kampagnen durch kreative Ansätze überzeugen, da präzisere Aussteuerungsmöglichkeiten fehlen.
Vergleicht man die aktuellen Ausgaben mit der Bundestagswahl 2021, wird deutlich, dass Parteien heute stärker in digitale Wahlwerbung investieren – mit einer besonders intensiven Budgetsteigerung in den letzten Tagen vor der Wahl. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich auch in künftigen Wahlperioden fortsetzen, da digitale Plattformen weiterhin die besten Möglichkeiten bieten, um ein breites Publikum zu erreichen.
Politische Video-Werbung auf YouTube wird damit ein zentrales Instrument für zukünftige Wahlkämpfe – mit Learnings, die auch für andere Branchen von Interesse sein könnten. Besonders in den letzten Tagen vor der Wahl fließen hohe Budgets in digitale Werbung, um die Sichtbarkeit kurzfristig zu maximieren und somit die Wahlentscheidung zu beeinflussen. Eine gezielte Steigerung der Werbeausgaben in kritischen Entscheidungsphasen kann daher nicht nur in der Politik, sondern auch in anderen digitalen Branchen entscheidende Impulse setzen.
Autor/in
Georg Stubendorff Paid Media Marketing (Video Ads)
Georg Stubendorff ist seit 2019 bei der Online-Agentur webnetz mit dem Fokus auf Video Advertising tätig. Er begann mit einem Schwerpunkt auf Programmatic Advertising und übernahm später die Rolle des Teamleads für Video Advertising. In dieser Funktion verantwortet er die Planung und Umsetzung von Bewegtbild-Kampagnen für Kunden aus verschiedensten Branchen. Zuvor sammelte er wertvolle Erfahrungen im Digitalbereich eines großen deutschen Fernsehsenders sowie bei einem reichweitenstarken Online-Newsportal. Sein fundiertes Fachwissen über die Video Advertising-Landschaft setzt er gezielt ein, um Kunden bei der Entwicklung effektiver, plattformübergreifender Strategien zu unterstützen.
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