„Dieses Facebook ist nichts für uns“ – Die 5 großen Mythen über Facebook Ads
Unter diesem ketzerischen Titel hielt ich vor zwei Wochen gemeinsam mit meiner geschätzten Kollegin Claudia einen Vortrag auf der von web-netz veranstalteten Online Marketing Konferenz, kurz OMK. Die Vorbereitungen waren denkbar spaßig – wir haben einfach mit allem aufgeräumt, was uns in den letzten Jahren an Vorurteilen am häufigsten unterkommen ist über „dieses Facebook“.
Warum haben wir uns da so ins Zeug gelegt? Ganz einfach, uns liegt das Thema am Herzen. Als selbstbezeichneter Facebook Nerd liegt es mir am Herzen, dass alle Unternehmer und Werbeverantwortlichen dieser Welt zumindest über die Vorteile Bescheid wissen, die dieser wunderbare Kanal mit sich bringt. Ich möchte aufklären, dass es um mehr geht, als nur um Fanpages, Katzenvideos, Likes und Clickbaiting. Wir haben bereits vor einigen Jahren gemerkt, dass kommerzielle Werbung nach dem von Google AdWords altbekannten Cost per Click-Prinzip auf Facebook eine große Nummer werden kann – dieses Targeting war einfach zu fein und zu verlockend, um es nicht auszuprobieren. Trotzdem sind uns immer wieder die gleichen Vorurteile begegnet, mit denen ich nun aufräumen möchte.
Also, los geht’s:
Mythos Nr. 1 – „Facebook funktioniert nur bei jungen Zielgruppen!“
Es wird, vor allem im Mittelstand, sobald das Netzwerk Facebook zur Sprache kommt, über wenig so viel diskutiert wie über die Altersstruktur desselbigen. Insbesondere bei Geschäftsführern und Marketingverantwortlichen, die selbst noch keinen Kontakt zu Facebook hatten und dies nur durch ihre eigenen Kinder oder jüngere Kollegen kennen, hält sich dieses Gerücht hartnäckig. Hierzu eine Anekdote: Vor einiger Zeit erzählte mir unsere Auszubildende, dass sie auf Facebook nicht mehr aktiv ist, weil ihre Oma da nun angemeldet sei und die ja nun wirklich nicht alles sehen müsse. Das führt mich zur anderen Extremsicht: Facebook würde vergreisen. Auch das stimmt nicht so ganz. Wir schauen uns einfach die Zahlen von Statista an:
Anzahl der Facebook-Nutzer nach Altersgruppen und Geschlecht in Deutschland im Januar 2017 (in Millionen)
Quelle: © Statista 2017
Schaut man sich die Daten dieser Erhebung von Anfang 2017 an, so erkennt man recht schnell, dass erst einmal alle Altersgruppen (unter 13 Jahren kann man keinen Facebook Account erstellen) in Deutschland auf Facebook aktiv sind. Natürlich haben wir auf Facebook einen Peak bei den 25- bis 34- Jährigen, der so in der aktuellen Gesellschaft nicht vorhanden ist. Aber: die Zielgruppe ab 65 Jahren ist mit über einer Million Nutzern auf Facebook vertreten; Tendenz ist übrigens steigend. Die 13- bis 17-Jährigen sind hier untervertreten; sie tummeln sich eher auf Snapchat oder Instagram. Dies spricht aber eher gegen die Theorie der jungen Zielgruppe. Für uns Werbetreibende ist dies erstmal unbedenklich: Wir können den unter 18-Jährigen so oder so nichts verkaufen. Und: Über das Facebook Werbekonto können wir auch Ads auf Instagram ausspielen, sollten wir die 18- bis 20- Jährigen doch erreichen wollen.
Bedenkt man nun, dass der Durchschnittsdeutsche ein Alter von 45 Jahren hat und der durchschnittliche deutsche Facebook User schon 39 Jahre auf dem Buckel hat, wird langsam klar: Klammern wir die Altersheime und die Seniorenheime einmal aus, spiegelt Facebooks User-Struktur ganz gut unsere Gesellschaft wider, zumindest beim Thema Alter.
Vorteile der älteren Zielgruppe sind für uns zwei Aspekte: Zunächst einmal verfügt die Zielgruppe über recht hohe finanzielle Kapazitäten. Das zeigen Tests von uns sowie auch diverse Statistiken. Dies wird auch niemanden verwundern. Was uns anfangs überrascht hat, ist eher der zweite Aspekt: die ältere Zielgruppe weist eine deutlich höhere Interaktion auf als die jungen Konsumenten. Sie liken, kommentieren, posten Sticker; dies sorgt natürlich dafür, dass unsere Ads und Posts eine noch höhere Sichtbarkeit bekommen.
Mythos Nr. 2 – „Wir haben doch gar keine Consumermarke!“
Es stimmt: Es ist besonders einfach Nike Sneaker im Sale über Facebook Ads zu verkaufen. Aber was machen alle, deren Zielgruppe eben nicht die direkten Endverbraucher sind? Macht das auf Facebook überhaupt Sinn? Nein – so zumindest die oft vorherrschende Meinung. Wir glauben aber, dass Facebook Ads für fast jedes Business relevant sind. Und das nicht nur, weil Privatpersonen auch manchmal im Büro auf Facebook eingeloggt sind.
Generell kann man über Facebook nicht nur klassisches, dem Abverkauf dienendes, Performance Marketing voranbringen. Was allen Unternehmen dient, wäre z.B. aktiv das Image mitzugestalten oder anders ausgedrückt Branding Kampagnen zu fahren. Ein tolles Beispiel dafür ist die viel zitierte Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe unter der Facebook Fanpage „Weil wir dich lieben“, die dem nicht immer gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr in Berlin ein völlig neues Gesicht gibt. Dieses kann natürlich über Facebook Ads ideal an die Zielgruppe ausgesteuert werden.
Ein anderes, fast politisches, in allen Branchen vorherrschendes Problem ist der Fachkräftemangel. Woher bekommt ein Unternehmen junges, gut ausgebildetes Personal? Dies ist ja meist in Jobs gebunden und nicht unbedingt auf der Suche. Betrachtet man die Zielgruppe der 20-29 Jährigen, stellt man fest: Zu 88% sind diese auf Facebook vertreten und zu 71% im Schwester-Netzwerk Instagram. Was liegt also näher, als hier auf gute Stellen aufmerksam zu machen?
Test: Stellenanzeige in einem Jobportal vs. Facebook Ads
Wir haben es für einen Kunden versucht und für eine bestimmte, vom Kunden definierte Position, hier ein Fotograf für ein Fotostudio in Köln, einen Test gemacht. Wir haben die Stelle auf einem bekannten Jobportal eingestellt und gleichzeitig über Facebook Ads beworben. Hier kamen uns die guten Targeting-Optionen zu Nutze: Steuert man die Werbung nur in und um Köln aus und gibt zusätzlich an, dass sie nur für Fotografen oder zumindest für User mit dem Interesse Fotografie ausgespielt wird, ist dies nicht nur sehr zielgerichtet, sondern eben auch budgetschonend. Die Ergebnisse haben selbst uns nach dem ersten Test überrascht:
Performancevergleich eines Jobportals mit Facebook Ads - der Erfolg spricht für sich. (Grafik: web-netz)
Das Jobportal bietet die Möglichkeit, eine Stelle für einen Zeitraum von 30 Tagen für den Pauschalbetrag von 920 Euro zu platzieren. Das Kernproblem: Neben mangelnden Gestaltungs- und Auswertungsmöglichkeiten vor allem die Tatsache, dass man nur auf die Stelle stößt, wenn man schon aktiv einen Job sucht. Ist man noch in der gedanklichen Vorstufe, so sucht man hier noch nicht.
Über Facebook Ads durften wir für eine Kampagne gut die Hälfte des Budgets einsetzen, das für das Stellenportal nötig wird. Das Portal lieferte uns 4 Klicks auf die Website und leider keine Bewerbung, die abgeschickt wurde. Die Anzeige über Facebook brachte uns zu einem Klickpreis von 0,08 Euro über 6.500 Klicks und 62 ausgefüllte Bewerbungsformulare.
Neben Fotografen haben wir für andere Kunden auch schon Pflegepersonal oder OP-Schwestern gesucht und gefunden – es ist also wirklich für jede Branche etwas dabei. Auch unsere eigenen Vakanzen bei web-netz bewerben wir über Facebook.
Mythos Nr. 3 – „Aber wir machen doch schon Google AdWords! – Wir brauchen keine Facebook Ads!“
Fleißige Leser dieses Blogs schlagen sich nun vor die Stirn und rufen: „Adrienne, bitte nicht schon wieder!“ Ja – es ist mein Lieblingsthema. Aber auch nur, weil es der Satz ist, den ich seit Beginn meines Online-Marketer-Daseins am häufigsten gehört habe. Ich könnte mich nun stundenlang hier auslassen, aber das wäre an dieser Stelle zu viel. Wer die lange Version möchte, kann sich gerne meinen Beitrag „Facebook Ads vs. Google AdWords – oder doch beides?“ aus dem März dieses Jahres zu Gemüte führen. Für alle anderen die Kurzfassung: Google AdWords ist ein super Verkaufskanal! Die Anzeigen in der Google-Suche performen super. Aber warum? Weil User schon aktiv auf der Suche nach etwas sind.
Was passiert aber, wenn ich ein Produkt neu auf den Markt einführen möchte? Oder noch simpler: Ich etwas einer neuen Zielgruppe, die noch gar nicht weiß, dass meine Dienstleistung genau das richtige für sie ist, schmackhaft machen möchte? Wenn ich Neukunden benötige, um mein Geschäft profitabel zu halten? Dann sollte man sich über Facebook Ads Gedanken machen, denn im Verkaufstrichter (ich bediene mich am klassischen AIDA-Modell) können die Anzeigen auf Facebook und Instagram ganz oben ansetzen.
AIDA-Modell: Facebook Ads sorgen für die notwendige Aufmerksamkeit, Google AdWords bedienen das Verlangen. (Grafik: web-netz)
Natürlich geht dies auch über Display Advertisement, das Facebook Targeting beweist sich aber als wesentlich genauer, da wir bei einer täglichen Nutzungsdauer von fast einer Stunde Facebook eben sehr viele Informationen über uns bekannt geben, die Google nur anhand des Surfverhalten schätzen kann. Bei Facebook geben wir Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus und durch unsere Likes und Kommentare eben sehr viel freiwillig an. Natürlich sollte man sich trotz aller Euphorie immer bewusst machen, dass es utopisch ist, User über nur einen Kanal zu erreichen, daher macht oft die Kombination aus Google AdWords Anzeigen und Facebook Ads Sinn. Liebe Leser, kürzer ging es leider nicht. ;)
Mythos Nr. 4 – „Das ist doch nur was für Marken mit großen Budgets!“
Ja, Facebook ist in den letzten Jahren zum Massenmedium geworden. Dieses Jahr haben wir in Deutschland die 30 Millionen Nutzer Grenze geknackt. Die Frage, die sich hier als Werbetreibender allerdings als erstes stellt: Sind diese User wirklich alle relevant für uns? Nein, eben nicht. Die Zielgruppe eines Unternehmens ist doch meist viel spitzer und daher ist es gar nicht nötig, alle User eines Mediums zu erreichen. Und wo ich bei klassischen Medien eben nur die Möglichkeit habe, alle Rezipienten (also z.B. alle Leser einer Zeitschrift) anzusprechen, kann ich auf Facebook dafür sorgen, dass nur User, die bestimmte Kriterien erfüllen, meine Werbebotschaft erreicht. Und auch hier ist je nach Einstellung die Einblendung erst einmal kostenlos und Kosten entstehen erst bei Klick.
Die Targeting-Optionen bei Facebook sind schier unendlich. Meine Kollegin Michelle hat dazu einen interessanten Beitrag beigesteuert: Facebook – so nutzt du das Zielgruppenpotenzial richtig!
Zusammenfassend kann man auf Facebook eben nicht nur nach demographischen Daten wie Alter, Geschlecht, Wohnort targeten sondern auch nach Beziehungsstatus, Arbeitsplatz, Bildungsgrad, Interesse an bestimmten Musikgenres, Hobby, Mode, bestimmten Marken, Nutzungsverhalten von bestimmten Geräten und so weiter und so fort targeten. Diese Möglichkeiten kann ich dann noch unendlich oft miteinander kombinieren oder gegeneinander ausschließen.
Warum sollte ich das tun? Nun, wenn ich, wie ein Kunde von uns, ein stationäres Brautmodengeschäft habe, dann interessiere ich mich vorrangig für Frauen von ca. 20-45 Jahren, in einem Umkreis von ca. 150 km um mein Geschäft, die den Beziehungsstatus „verlobt“ angegeben haben und sich evtl. schon mit der Hochzeitsplanung beschäftigen, also Interessen in Bereichen wie „Brautkleider“ oder „Hochzeitstorte“ haben. Dies macht die Werbeaktivitäten besonders effizient.
Mythos Nr. 5 – „Meine Website ist noch nicht bereit dafür“
Neue Zahlen von Facebook sagen: Von den 30 Millionen deutschen Nutzern sind 27 Millionen mobil über die Facebook App eingeloggt. Aber nicht nur in sozialen Netzwerken ist das Credo „Mobile First“ die größte Maxime: Schon 2014 hat der mobile Traffic den Desktop Traffic überholt, weil wir alle dauernd unser Smartphone in der Hand haben und darauf rumwischen.
Was also tun, wenn die eigene Website oder der eigene Shop noch nicht perfekt auf Mobilgeräte optimiert ist (und ja, es gibt noch so viele Seiten, bei denen das tatsächlich der Fall ist)? Ganz einfach – man lagert die Customer Journey einfach zu Facebook aus.
Dazu gibt es u.a. zwei große neue Werbeformate. Nummer eins sind die sogenannten Lead Ads. Interessant erst einmal für alle, die Newsletter-Abonnenten, Anfragen oder Terminbuchungen online einsammeln möchten. So sieht es aus:
Lead Ad bei Facebook. (Grafik: web-netz)
Scrollt man wie gewohnt durch den Facebook Newsfeed, ist eine herkömmlich wirkende Facebook Anzeige zu sehen, beim Klick darauf öffnet sich allerdings ein Formular, dass ich über die Autofill-In Option, da Facebook ja eh alles weiß, einfach automatisch auffüllen lassen kann und so direkt eine Anfrage stellen kann. Der Werbetreibende hat einen neuen Lead, der User konnte alles bequem in der Bahn erledigen, alle Seiten sind glücklich.
Es gibt weitere Vorteile: Da ich Facebook nicht verlasse, sind die Ladezeiten viel geringer als bei einer externen Website und das geheiligte mobile Datenvolumen wird geschont. Außerdem gibt es noch wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten, sodass man z.B. auch komplexe Teilnahmebedingungen für Gewinnspiele oder Aktionen unterbringen kann. Und ganz neu: Möchte man Terminvereinbarungen anbieten, kann dies nun auch schon verbindlich passieren, da es bei einigen Buchungssystemen nun die Möglichkeit gibt, diese direkt mit Facebook zu verknüpfen. Der Klick auf die Website ist dann nicht mehr nötig.
Eine andere Möglichkeit Facebook Werbung in dieser Form zu nutzen sind Canvas Ads – hier gibt man dem User eine ganze Erlebniswelt mit.
Canvas Ad bei Facebook - mobiles Erlebnis zum Eintauchen.
Eine Canvas Ad gibt die Möglichkeit, dem User ein mobiles Erlebnis zu bieten - auch hier ohne Facebook zu verlassen. Man kann Bilder, Videos und Textelemente fast in unendlichen Kombinationen aneinanderreihen, um so den User in eine Markenwelt zu führen. Weiterhin hat man hier die Möglichkeit User in weitere, speziellere Canvas Ads zu verlinken. Interessiert sich der User im gezeigten Beispiel für Laos Reisen, so kann sich eine neue Canvas Ad nur zu Angeboten in Laos öffnen.
Canvas Ads sind eine ideale Möglichkeit des ersten Touchpoints, da sie sehr inspirativ genutzt werden können. Hieraus bietet mir Facebook dann auch die Möglichkeit User, die mit einer bestimmten Canvas interagiert haben, erneut anzusprechen. Retargeting at its best! Und nur, um nochmal Salz in die Wunde zu streuen: Über Facebook wird 86 Prozent des Umsatzes mobil getätigt. (Quelle: https://de.statista.com/infografik/1293/umsatz-von-facebook-nach-segmenten/).
Facebook ist für alle da?
Vielleicht nicht für alle, aber wir hatten bisher wirklich denkbar wenige Fälle, in denen wir gar nicht helfen konnten. Mein Abriss hier, so lang er auch ist, bietet wirklich nur einen allerersten Einstieg in die Thematik: Die komplexen Wiederansprachemöglichkeiten über Facebook und Instagram habe ich noch gar nicht angesprochen. Insgesamt bietet das Facebook Werbekonto Werbeformen an, die überall im Kaufprozess oder eben auch in der Kundenbindung helfen können, die Performance zu steigern.
Testet verschiedene Zielgruppen oder Targetingkombinationen aus – selbst wir können nicht sagen, dass wir alle Optionen und Kombinationsmöglichkeiten ausprobiert haben. Wie überall im Online-Marketing können wir auch bei den Facebook Ads sehen, wo jeder einzelne Cent hingeflossen ist und die Auswertungsmöglichkeiten sind immens. Über diese Möglichkeit sollte jedes Unternehmen zumindest einmal nachdenken, bevor man sie mit Floskeln in den Wind schießt. Die Potenziale sind riesig, die Werbeformen vielfältig und die Gestaltungsmöglichkeiten schier unendlich. In diesem Sinne: Bleibt neugierig!
Nur das Beste
Bildquellen: © by SonerCdem / iStockphoto.com;
Autor/in
Adrienne Becker Social Media Marketing
Bei webnetz als Online-Marketing-Managerin mit Google Ads gestartet, lebt sich Adrienne seit längerem sowohl kreativ als auch performanceorientiert als Leiterin des Social-Media-Marketing-Teams aus. In Schulungen und als Speakerin bricht sie regelmäßig Lanzen für bedürfnisgerechtes Social Media Marketing. Nach ihrem Masterstudium im Bereich Management & Marketing reiste sie erst mal in die entlegensten Gegenden der Welt. Das Reisen ist nach wie vor ihre größte Leidenschaft - neben dem Online-Marketing.
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