Apple vs. Facebook: Wie iOS 14.4 die Datennutzung verändert
Die Herausforderung, die der Roll-Out von iOS 14.4 mit sich bringt, wird in der Online-Marketing-Szene schon seit einiger Zeit diskutiert. Mit der offiziellen Ankündigung von Facebook, wie sie darauf reagieren werden und dem verbalen Schlagabtausch zwischen Apple-CEO Tim Cook und dem Facebook-Chef Mark Zuckerberg, hat der Kampf der Tech-Giganten um die Daten nun auch den Weg in die Mainstream-Medien gefunden.
Erst alle Fakten…dann aufregen (oder auch nicht)
Der Auslöser für den Zwist zwischen Facebook und
Apple ist eigentlich gar nicht das neueste iOS-Update, sondern eine schon
länger bekannte Privacy-Strategie
des iPhone-Riesen aus Cupertino. Im Zuge dieser Strategie will Apple auf all
seinen Geräten (iPhone, iPad & Co), auf denen Drittanbieter-Apps laufen,
dem Nutzer die Kontrolle über die
Datenerhebung ermöglichen. Mit der neuesten Version des Betriebssystems
wird dies nun spürbar in die Tat umgesetzt.
Dabei gibt es grob gesagt zwei Entwicklungen, die neu sind. Die offensichtlichste Änderung ist die Verpflichtung von App-Anbietern, dem Nutzer vor Nutzung der App die Entscheidung über die Datenerhebung zu überlassen. Dies erfolgt, ähnlich wie bei einem rechtskonformen Cookie-Banner, in Form einer entsprechenden Abfrage.

Nun könnte man meinen, dass dann ja lediglich
von weniger Nutzern Daten erhoben werden können, aber hier kommt die zweite
Änderung ins Spiel. Auch wenn der Nutzer seine Zustimmung zur Datenerhebung
gibt, sind dem ganzen auch hier Grenzen gesetzt.
Die beiden folgenreichsten sind die Laufzeit
der Datenerhebung (quasi die Cookielaufzeit) von 28 auf nur noch 7 Tage und die
Reduzierung der Anzahl an Conversion Events, die je Domain erhoben werden
dürfen, auf acht von ehemals unbegrenzt. Speziell die Verkürzung des
Attributionsfensters wird sich sicherlich bei Produkten mit langen
Entscheidungszyklen in der Performance-Betrachtung bemerkbar machen. Bei Impulskäufen,
also solchen, die ohne langen Entscheidungsprozess sofort getätigt werden, wird
sich die Veränderung in den Daten eher in Grenzen halten.

“Das Apple iOS14 Update und die Anpassungen, die darauf folgend von Facebook vorgenommen worden sind, haben uns zum Teil vor große aber lösbare Herausforderungen gestellt. Es gibt mittlerweile zahlreiche Infos dazu, was die Auswirkungen betrifft genauso wie Handlungsempfehlungen für die Werbekonten und auch die künftige Ausrichtung bzw. Neuausrichtung der Social-Performance-Kanäle.
Dennoch wird sich erst in den kommenden Wochen und Monaten so richtig zeigen, wie groß die Einschränkungen bezüglich der noch zu erreichenden Apple-User sein werden – auch in Bezug darauf, wie viele User ihre Daten nicht mehr teilen möchten.
Spannend ist sicherlich auch, ob die anderen Betriebssysteme in irgendeiner Form nachziehen werden oder ob es Apples alleinige Anpassung bleibt.”
Alles nicht so schlimm, betrifft ja nur Apple... Nein!
Nun könnte man meinen, dass sich das ja alles noch im Rahmen hält, weil es ja nur die Datenerhebung auf Apple-Devices mit der neuesten iOS-Version betrifft. Der Anteil dürfte in Deutschland bei knapp 20% liegen. Wenn wir dann annehmen, dass die Hälfte dieser Nutzer der Datenerhebung zustimmt, bleiben nach Adam Riese 90% trackbare Nutzer übrig und nur für den kleinen Apple-Anteil sind die erhobenen Daten reduziert.
Vergleich der Marktanteile von Android und iOS am Absatz von Smartphones in Deutschland

Mit vorauseilendem Gehorsam hat Facebook aber nun die Einschränkungen bei der Datenerhebung, die derzeit ausschließlich für iOS gelten, also die kürzere Laufzeit der Daten und die Reduzierung der Conversion Events, komplett ausgerollt. Also auch die Daten der 74% Android-Nutzer weltweit werden innerhalb der Facebook-Welt behandelt als wären sie ebenfalls reglementiert, obwohl sie vom Android-Betriebssystem unverändert erhoben werden.
Warum Facebook das tut bleibt völlig im Unklaren. Eventuell geht man davon aus, dass diese oder vergleichbare Einschränkungen über kurz oder lang auch auf anderen Systemen kommen werden. Wenn man bereits jetzt den großen Schnitt macht, gibt es dann keinen erneuten Aufschrei und das soziale Netzwerk kann Apple komplett die Schuld in die Schuhe schieben. Aber wie gesagt, dies sind Vermutungen und durch keinerlei offzielle Aussage aus beiden Lagern zu untermauern. Allerdings berichtet Bloomberg aktuell, dass Google an einer Alternative zu Apples App-Tracking-Transparenz arbeite, die für beide Seiten (Entwickler und Verbraucher) etwas verträglicher wäre.
Auf Android-Geräten könnte ein System angedacht sein, wie es das Unternehmen auch für den Chrome-Browser geplant habe. Demnach sorge die neue Privacy-Sandbox von Google dafür, dass zwar Ad-Targeting stattfindet, aber mit einer weniger spezifischen Datenerfassung. So habe man eine Technologie entwickelt, mit der Werbetreibende Interessengruppen ansprechen können, statt einzelne Personen. Ob und wann dies tatsächlich für Android umgesetzt werden könnte, ist bislang aber noch nicht bekannt. ¹
Facebook ist nicht der alleinige “Leidtragende”, sie schreien nur am lautesten
Ganz plakativ gesagt betrifft diese iOS-Änderung ausnahmslos alle Drittanbieter-Apps, die über den App Store ihren Weg auf die Endgeräte finden. Neben Instagram und WhatsApp, die ja ebenfalls zum Facebook-Konzern gehören, sind selbstverständlich auch alle anderen Social-Apps wie Pinterest, TikTok und neuerdings auch Clubhouse betroffen und werden sich hier anpassen müssen.
Auch wenn Google sich aktuell noch sehr dezent
zurückhält ist auch der Suchmaschinenriese beispielsweise bei Apps wie Google
Maps und YouTube genauso betroffen. Hier liegt der Grund aber ganz eindeutig in
der oben beschriebenen Tatsache, dass diese Dienste auf Android-Geräten ja
weiterhin unverändert Daten erheben können.
Die einzigen verlässliche Infos von Google
sind Empfehlungen wie sich App-Entwickler anpassen müssen, um weiterhin über
Google per InApp-Werbung zu monetarisieren.

“Welche Apps sind tatsächlich von den Einschränkungen betroffen? Google hat in einem Blog-Beitrag auf jeden Fall angekündigt, dass sie ein entsprechendes Update durchführen werden. Die YouTube-App wird sehr wahrscheinlich betroffen sein. Da Mobile immer mehr an Bedeutung gewinnt, YouTube-Kampagnen oft auf Smartphones und damit auch Apple-Geräten ausgeliefert werden, wird es hier sicherlich zu Einschränkungen kommen. Wir sind aber sehr gespannt welche Auswirkungen die ATT auf die Performance unserer Kampagnen am Ende wirklich haben wird!”
Und was ist eigentlich mit Analyse-Tracking auf Webseiten?
Neben der schon ausreichend thematisierten
Consent-Notwendigkeit für diese Art der Datenerhebung kommt nun für
Webseitenbesuche InApp noch die Einschränkung durch das Tracking-OptIn der App
hinzu. Wenn ein Nutzer also innerhalb der Facebook-App, oder irgendeiner
anderen, auf einem iOS-Device eine Webseite aufruft wird hier die
Nutzerentscheidung für die App selbst herangezogen. Hat der Nutzer also für die
App die Datenerhebung abgelehnt wird auch InApp kein Pixel auf der Webseite
ausgeführt.
Bei einem ganz normalen Aufruf der gleichen
Webseite außerhalb der App - z.B. über den Safari Browser auf einem iOS-Device
- gilt ausschließlich die normale Consent-Lösung per Cookie-Banner.
Kern der Auseinandersetzung und Fokus der Veränderungen
Die Erhebung von Daten - und die darauf aufsetzende datengetriebene
Ausspielung von Werbung innerhalb der Apps -
ist der Kern, um den es geht.
Wie unterschiedlich hier die Ansätze bzw. Gegensätze zwischen den Tech-Schwergewichten Apple und Facebook sind lässt sich anhand diverser, öffentlicher Aussagen über die jeweilige Gegenseite nur unschwer ablesen. Apple möchte die Kontrolle über seine Daten den Nutzern ihrer Produkte überlassen und Facebook stellvertretend für nahezu alle App-Anbieter, deren Geschäftsmodell die datengetriebene In-App-Werbung ist, möglichst umfangreiche Nutzerprofile erstellen.
An diesem Gegensatz lässt sich nichts ändern, wie also umgehen mit der reduzierten Datenmenge und -tiefe?
Wie genau sich die Veränderung auf die
Datenlage auswirkt, werden wir erst in den kommenden Monaten wirklich fundiert
beurteilen können.
Es wird aber ganz sicher eine Umstellung in der
Werbeaussteuerung geben mit der es sich zu arrangieren gilt.
Conversion-Konzepte müssen entsprechend der Limitierung in der Anzahl überdacht
und angepasst werden. Auch in ganz alltäglichen Bereichen wie der Attribution
oder der Nutzung von datenbasierten Regeln sind Anpassungen vorzunehmen.
Fazit
Ja, die Veränderungen sind nicht ohne, aber ein Grund zu Panik ist das noch lange nicht. Im ersten Schritt bleibt abzuwarten, wie große die Auswirkungen wirklich sind. Der zweite Schritt ist dann die fundierte Analyse und Anpassung der Ausspielung an die veränderten Rahmenbedingungen.
“Technology does not need vast troves of personal data stitched together across dozens of websites and apps in order to succeed. Advertising existed and thrived for decades without it, and we're here today because the path of least resistance is rarely the path of wisdom.”
"Die Technologie benötigt keine großen Mengen an persönlichen Daten, die auf Dutzenden von Websites und Apps zusammengefügt sind, um erfolgreich zu sein. Werbung existierte und gedieh jahrzehntelang ohne sie, und wir sind heute hier, weil der Weg des geringsten Widerstands selten der Weg der Weisheit ist."
- Tim Cook, Apple CEO @ International Data Privacy Day
Ganz so radikal wird es nicht werden, aber unterm Strich hat er Recht. Gute Werbung basiert nicht primär auf Daten, gute Werbung ist vom Grunde erst einmal gute Werbung und wird durch intelligenten Dateneinsatz veredelt und optimal ausgespielt. Der Ansatz der Reduzierung muss dabei in keinster Weise von Nachteil sein.
Nico
Kostenlose Online-Marketing-Webinare
Wir bieten jede Woche kostenlos zwei Webinare an. Alle Themen und die nächsten Termine findet ihr auf: web-netz.de/webinare.

¹ Quellen: Caschys Blog, Bloomberg
Bildnachweis Titelbild: LewisTsePuiLung | istockphoto.com
Autor/in
Nico Loges Paid Media Marketing
Seit Ende der 90er Jahre ist Nico Loges im Online-Marketing tätig. Anfänglich war die Vermarktung von Musikern der Schwerpunkt seiner Arbeit. Anfang 2011 verschrieb er sich komplett dem performancegetriebenen Online-Marketing und verantwortete inhouse als “Head of” alle Marketingkanäle von einem der größten deutschen Onlinehändler für Eisenwaren. Mitte 2014 folgte dann der Wechsel auf die Agenturseite. Bei webnetz betreute Nico Loges Kunden in den Bereichen Paid Search. Seit 2019 verantwortet er als Abteilungsleiter des Bereichs Paid Media Marketing mehr als 25 Mitarbeiter. Als Autor gehen Veröffentlichungen im Fachbuch "Leitfaden Data Driven Marketing" und im Agenturblog auf sein Konto. Des Weiteren hält Nico regelmäßig Vorträge auf Konferenzen und teilt sein Wissen in webnetz-Webinaren wie auch externen Workshops und anderen Weiterbildungsformaten.
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